Scharmützel mit den Markgräflichen am 6. Mai 1696 in Altenthann

In Burgthann wurden 2019 bei einer Sichtung der Unterlagen des Pfarrarchivs Altenthann vier historische Dokumente aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorgefunden: Archiv Nr. 85 listet das Kirchenstuhl-Register im 19. Jahrhundert auf, mit Nr. 86 wird ein gut erhaltenes Agendabüchlein aus Nürnberg bezeichnet und Nr. 88 ist ein kleines Taufheftchen für die Jahre 1816 – 1818. Wir stießen im Archiv Nr. 84 auf einen sehr interessanten Bericht über einen Gottesdienst im Jahr 1696. Der Altenthanner Pfarrer August Peter (1909 – 1918) vermerkte auf dem Deckel dieses Archivs: „Enthält viele wertvolle lokalgeschichtliche Notizen“. Den besagten Bericht schrieb Paul Jakob Stark eigenhändig nieder. Er war von 1695 – 1701 in Altenthann Pfarrer und damit selbst betroffen. Teile der handschriftlichen Aufzeichnung sind im Kursivdruck original und in der Schreibweise der damaligen Zeit wiedergegeben.

Die Schwarzach bildete damals die Grenze zwischen der Markgrafenschaft Ansbach und dem Nürnberger Landgebiet. (1) Unter den vielen Zwistigkeiten, Streitigkeiten und Gegnerschaften des Markgrafen von Ansbach mit der Stadt Nürnberg und seinem Umland hatte die Bevölkerung diesseits und jenseits der Schwarzach sehr zu leiden. Der Altenthanner Pfarrer Stark hatte einen großen Pfarrsprengel zu bedienen. Im Jahr 1696 betreute er neben Altenthann auch noch Gemeindeglieder aus Burgthann, Pattenhofen, Ober- und Untermimberg, Hahnhof, die Höfe Wallersberg, Gibitzenhof, die Mühlen Förresmühle und die Hahnhofmühle. Die Gottesdienste fanden zu dieser Zeit noch in der kleinen, baufälligen und mit Schindeln bedeckten Vorgängerkirche St.-Veit statt, in der sich die Gemeindeglieder noch einen Kirchenstuhl für 30 xr (Kreuzer) mieteten.

Da die Burgthanner Untertanen nach Vorbild der Burgbewohner mehr zur Kirche nach Oberferrieden als nach Altenthann tendierten, waren in der Kirchengemeinde Altenthann Auseinandersetzungen absehbar.

Ein besonders dramatisches Geschehen ließ Pfarrer Stark zur Feder greifen, um es der Nachwelt zu erhalten. Seine temperamentvolle Art spricht aus der Beschreibung des Zwischenfalls, der sich in und vor der Kirche zwischen Nürnberger Soldaten und markgräflichen Untertanen aus Burgthann abspielte. Man kann es seinen Zeilen entnehmen, dass ihn das Geschehen sehr beschäftigte, innerlich aufwühlte und nachdenklich machte.

Am Sonntag Misericordias Domini, der gute Hirte, dem 6. Mai 1696, besuchten auch markgräfliche Untertanen aus Burgthann den Gottesdienst in Altenthann. Wie jedes Gemeindeglied hatten sie sich ordnungsgemäß einen Kirchenstuhl erkauft. Seit einigen Sonntagen saßen auch Soldaten aus Nürnberg im Gottesdienst, die in Weiherhaus bei Obristwachtmeister und Hauptmann Karl Siegmund von Grundherr Arbeiten ausführten. Sie besetzten Stühle, die für die Markgräflichen vorgesehen waren. Conrad Rißmann, Bauer auf dem Gibitzenhof, und sein Schwager Hans Odörfer, Köbler aus Burgthann, der als böse und halsstarrig beschrieben wird, forderten die Soldaten mit rauen Worten dazu auf, ihre belegten Stühle zu verlassen und nannten sie lauthals vor der Gemeinde sogleich „Schneider“, ein verächtlichmachendes Schimpfwort der damaligen Zeit. Darauf verabreichte der Soldat Wagner dem Rißmann eine saftige Ohrfeige.

„Da dann unter währenden Gesang „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ usw. ein solch(er) Rumor entstand, dass ich gemeinet es were Feur, lieff danach aus d(er) Sakristey und sahe dass jedermann zur Kirche heraußeilte, lief darnach hinauß und sahe, dass die Marggraffl(ichen) Unterthanen wütend auf die Soldaten zuging(en) ich redete den Bauern zu, welche mich hartiglich anfuhren, einer unter ihnen Hannß Eberhard von Burckthann hat mich bey meinem Priesterrock ergriffen und auf die Brust gestoßen ich sollte weggehen gedrohet oder der Teufel sollte ihn holen.“ (2)

Dieser Hans Eberhard aus Burgthann war dem Pfarrer Stark schon öfter unangenehm aufgefallen. Er ging beispielsweise ohne Gruß an ihm vorbei, zog auch keinen Hut vor ihm und kam lange Zeit nicht mehr in die Kirche. Doch brachte es der Pfarrer zustande, dass er wieder den Gottesdienst besuchte. Der energische Geistliche warf sich selbst – wie wir gleich hören werden – ins Kampfgetümmel, um die Streithähne auseinander zu bringen.

Die Soldaten blieben draußen, ich ließ sing(en): „Hl. Jesu Christ dich zu uns wend“ usw. Darauf predigte ich und stellete aus dem Evangelio vor: Die Würdigkeit des hl. Predigtamtes, da ich dann auch die Verächter der Predigt samt Exempel die Straffe angeführet, welches ob ich es schon damals wirde vermuthen, meditiert, nochmals gepredigt so half es doch nichts bey den wütenden Bauern, in denen solche unter der Predigt auf lauter Rach(e) bedacht waren.

Nach vollendeten Gottesdienst waren die Soldaten vor d(er) Kirch und fragten die Bauern ob sie Schneider weren, worauf dann nach wenig Wortwechsel die Bauern Brügel aus den Zäunen gerissen und auf die Soldaten zugeschlagen, da dann unterschiedl(ich) blessiert und verwundet worden, ich dass ich kaum das Messgewand vom Leib gebracht, lief hinauß Frieden zu stifften, aber es war alles umsonst, nun sahe man an statt die Schafe, lauter stoßende Böcke, ja gleich wie wilde Bestien, voller Wuth und Grimm, welche auch mich ihren Beichtvatter nicht verschonet. Da ich mich über die blessierte(n) /: über welchen einige oft 10 ja 12 geschlagen :/ geleget, weggerissen und mir selbst scharf gedrohet, biß endlich nach häufig(en) Blutguß aller still geworden.“
Natürlich wurde das Geschehen durch die markgräflichen Untertanen dem Castner (Verwalter des Kastenamtes in Burgthann) mit Unwahrheiten klagend erzählt, der das Geschehen nach Ansbach weiterleitete. Von dort kam der Befehl, die betroffenen markgräflichen Untertanen sollten die Kirche in Altdorf besuchen, bis die Sache ausgehandelt wäre.

Am 1. Adventssonntag haben einige von ihnen dann wieder gebeichtet und im folgenden Jahr auch wieder kommuniziert. Pfarrer Stark bezeichnete die meisten Markgräflichen als wild, unbändig, ungezogen, die auch schlimme Reden über ihn verbreiteten. Er nannte sie auch mit Namen.

„Er ohnedem Genug Beichtkind hat und solche groben und undankbare gesellen gar nicht vonnöthen hat. Und obgleich die meisten die Kirche wid(er) besuchet, 
so haben sich doch Radleinsführer daran geäußert. Solche sind Conrad Rißmann Hannß Oterfer (Odörfer) Steffen Rieß Martin Bloß ein junger Maulaff ein wüth(ling) zu Burckthann, welcher mit denen so herübergegang(en) ist in die Kirche ofters gezanket und sie deswegen beym Castner verklaget, auch wird zu wegen gebracht dass die Kirch deren Unterthannen auf das Neue verboten word(en). 3)

Hannß Volkert, Köbler und Vogelfang(er) zu Burckthann, ein Mann von schlechtem Christenwandel, welcher vor dießem Casus (Fall) wenig die Kirch besuchet, sondern vielmehr die mit aufsuchung des Wildes und zur Herbstzeit dem Vogelfang dieß hat ihn zu der beste(n) gelegenheit überkommen, dass er die Kirch und mehr besuche(n) dürfe oder von d(em) pfarrer angehalt(en) wird möge(n).

Diese 6 instrumente Satans haben nicht nur mit ihren Schlägereien die Kirche profaniert, mich ihren Beichtvatter verachtet u. geschimpfet u. gleich deren wilden Bestien gewütet, sondern haben sich also von dem Tempel abgesondert, dass einige werden hier noch dort zur Kirche kommen.“

Diese 6 instrumente Satans haben nicht nur mit ihren Schlägereien die Kirche profaniert, mich ihren Beichtvatter verachtet u. geschimpfet u. gleich deren wilden Bestien gewütet, sondern haben sich also von dem Tempel abgesondert, dass einige werden hier noch dort zur Kirche kommen.“

Das alles betrübte den Seelsorger und er befürchtete, dass solches Verhalten negativen Einfluss auch auf andere Gemeindeglieder haben könnte, der Besuch der Gottesdienste nachlässt, die Kinder nicht mehr in die Kinderlehre kommen. Er hoffte aber, dass mit Gottes Hilfe die Querulanten wieder in den Schoß der Kirche zurückkehren.

„Darin wünsch ich dießen dass sie gott wolle bekehren um ihnen nicht lohne nach ihrem Verdienst wie ich weiß, dass keine Verächter der Prediger Gott ungestraft bleiben ließ, ich bitte dannach Gott wolle es ihnen vergeben und sie zur Erkenntnis ihres Unrechts führen.“ Von Hl. M. Paul Jakob Stark, der von 1695 – 1701 allhir Pf(arrer) war.

Helmut Wilimsky

Quellen:

(1) Karte 19 des Fürstentums Ansbach
(2) Altenthanner Pfarr-Archiv Nr. 88, Bericht Seite 2 
(3) Altenthanner Pfarr-Archiv Nr. 88, Bericht Seite 6